
Unsaubere Intonation im Chor ist oft nur ein Symptom
Eine schiefe Intonation im Ensemble liegt nicht am Gehör deiner Sänger:innen.
Das detaillierte Arbeiten an der Intonation im Chor ist meistens mühselig und frustrierend. Du kennst das: Man probt und probt eine Stelle, und am Ende steht man trotzdem nur mit einer 50-50-Chance da, ob es sich verbessert hat. Keine besonders gute Erfolgsbilanz, oder?
Aber:
Intonationsprobleme sind fast immer nur Symptome tieferliegender Ursachen:
- Unsichere Stimmtechnik
- Unsicherheiten im Notentext
- Mangelnde emotionale und dynamische Vorstellung
- Fehlende Konzentration
- Ungleichmäßiges Blending im Chor
Warum klingt es wirklich schief?
Schiefe Intonation ist unangenehm. Und oft treten diese unsauberen Stellen immer an denselben Punkten auf – verdächtig oft in bestimmten Stimmen oder Harmonien.
Schnell vermuten wir, dass die Sänger:innen einfach die Töne nicht richtig hören.
Aber: Wirkliche Tonhöhenschwäche (tone-deafness) ist extrem selten (ca. 1,5%). Das Problem liegt also nicht am Gehör deiner Sänger:innen. Doch wenn das Gehör nicht schuld ist, was dann?
Warum klassische Intonationsübungen selten helfen
Meistens versuchen wir hier anzusetzen und arbeiten endlos an Akkorden, einzelnen Tönen oder Übergängen. Es werden Referenztöne gespielt, Harmonien aufgebaut und Akkorde analysiert – nur um am Ende doch wieder bei einer 50%-Chance zu landen, ob die Stelle im Konzert intonationssicher klingt.
Doch es gibt auch einen anderen Ansatz.
Die seltsame Logik hinter Intonation
Fast jede:r Chorleiter:in kennt das paradoxe Erlebnis, dass bestimmte Stellen in den Proben einfach nie klappen – und dann im Konzert plötzlich sauber klingen. Oder genau andersherum: In der Probe stimmt alles, und beim Konzert klingt es wieder schief.
Mit meiner Band ANDERS erleben wir das auch öfter als es uns lieb ist:
Ein Song in unserem Repertoire enthält live eingesungene Loops, die quasi als Intonations-Referenz dienen. Wenn der Loop aber aussetzt, sinkt die Tonhöhe manchmal merklich ab. Und wenn er wieder einsetzt, haben wir plötzlich zwei Tonarten gleichzeitig.
Konzentrieren wir uns beim Singen aber mehr auf den Ausdruck, auf die Musik zu und weniger auf die eigene Stimmtechnik oder Tonhöhe, steigt die Gesamtqualität merklich – und auch die Intonation wird deutlich besser.
Ursachen bekämpfen, nicht Symptome
Die Wahrheit ist, dass saubere Intonation meist das Ergebnis vieler kleiner Faktoren ist. Wenn wir nicht vollkommen präsent sind und wenn unsere Stimmtechnik unsicher ist, gerät die Intonation ins Wanken.
Meine Erfahrung als Vocal Coach im Einzelunterricht zeigt immer wieder: Sobald Sänger:innen technisch sicher sind und wissen, was sie tun, verbessert sich die Intonation oft automatisch.
Konkret bedeutet das:
Unsicherheit im Notentext und in der Stimme führt zu unsicherer Intonation.
Präsenz und stimmliche Klarheit wiederum verbessern Intonation deutlich schneller als rein musikalische Übungen.
Und wie immer ist das Bild eben nicht schwarz-weiß. Übergänge müssen trotzdem geübt werden und auch bei vielen Akkorden ergibt es Sinn, diese auszuhören.
Stimmtechnische Sicherheit kommt eben auch durch Sicherheit im Notentext.
