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Freitag, 02. September 2024

Warum dich dein Lächeln beim Singen blockiert

Lesezeit 4 Min

vielleicht klingt es radikal, aber ich glaube, dass die meisten Sänger:innen im Chor ihr Gesicht völlig falsch benutzen.

Ich sehe es ständig in Chorproben: Sobald ein Pop-Song ansteht, setzen alle automatisch ein breites Lächeln auf. Die Mundwinkel werden hochgezogen, die Augen strahlen. Das klingt zunächst erstmal gar nicht schlimm, aber was wenn es überhaupt nicht zur Emotion des Songs passt? Und was, wenn dieser Reflex uns beim Singen blockiert?

Häufig wird Mimik mit Emotion verwechselt, was uns die eigene Stimmtechnik sabotieren kann.

Heute zeige ich dir, warum neutrales Gesicht meist der bessere Weg ist:

  • Wie übertriebene Mimik deine Technik blockiert
  • Warum Emotion von innen kommen muss, nicht von außen
  • Eine einfache Übung für authentischen Ausdruck

Zeit für eine ehrliche Diskussion über Mimik und Gefühle

Nur Facade?

Als Kind habe ich Klavier und Geige gelernt und wurde früh gefordert, Emotionen in die Musik zu stecken.

Wenn ich emotional Stücke spielen wollte, ging das nie über das Gesicht, sondern nur über Präsenz bei mir selbst und meinen inneren Gefühlen. Nichts aufsetzen, die Musik sprechen lassen.

Das mache ich immernoch vor jedem Song auf der Bühne.

Zu viel Gesicht

Vor ein paar Wochen habe ich einen Chor gecoacht, in dem die Männerstimmen einen Solopart sangen. Das Ergebnis klang allerdings etwas angestrengt. Man hörte, dass sie etwas wollten, es aber irgendwie nicht rüberkam.

Mir fiel dabei auf, dass die Mimik der Herren in diesem Beispiel sehr übertrieben war: Große Gesichter, übertrieben deutliche Artikulation.

Häufig vergessen wir, dass Mimik rein gar nichts mit der Artikulation zu tun hat. Die kommt fast ausschließlich von den Konsonanten und Vokalen.

Und: Durch die aufgesetzte Mimik war die Emotion unklar. Die Jungs spielten Gefühle, anstatt sie zu fühlen.

Die Lösung ist total simpel: Ich ließ sie den Text erst mit völlig neutralem Gesicht sprechen. Stirn entspannt, Mundwinkel locker, und dann genauso singen.

Der Unterschied war nach wenigen Minuten enorm. Es war nicht nur echtes Gefühl in der Musik, auch der Klang war technisch sauber. Es klang jetzt einheitlich statt angestrengt und die Melodien klangen überzeugend. Der Körper gab automatisch die richtige Menge an Energie, die emotional für diese Phrase nötig war.

Warum das funktioniert

Emotion ist der ultimative Technik-Regulator.

Wenn wir innerlich wirklich betroffen sind, organisiert unser Körper automatisch eine Vielzahl stimmtechnischer Parameter, völlig unterbewusst und intuitiv. Die Stütze gleicht sich automatisch an, die Stimmbänder schwingen so, wie sie sollen und auch die Resonanz, der Klang der Stimme, passt sich entsprechend an.

Aber natürlich nur, wenn die Technik tief genug im Muskelgedächtnis verankert ist. Dann nämlich kann sich die gesamte Konzentration auf den emotionalen Ausdruck richten, ohne dass wir bewusst über Technik nachdenken müssen.

Und eine aufgesetzte Mimik? Sie blockiert diesen natürlichen Prozess. Wir setzen eine Maske auf, die echte Emotionen nur teilweise durchlässt.

Und noch Schlimmer: Das Publikum erkennt unterbewusst, dass eine Diskrepanz zwischen Gefühl und Ausdruck besteht.

Bitte (nicht) lächeln

Es gibt mehrere Gründe, warum Chöre bei populärer Literatur häufig zum Lächeln aufgefordert werden:

  • Lächeln hellt die Klangfarbe auf
  • Es kann dazu beitragen, dass wir dadurch besser stützen
  • Es sieht freundlicher aus

Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es in der Musik primär darum geht, Emotionen und Gefühle zu vermitteln. Setzen wir ein Lächeln auf, blockieren wir auch die Fähigkeit, Gefühle in unsere Stimmen zu legen.

Die Mimik darf natürlich auch nicht starr sein, aber authentischer ist es, die Mimik von den echten Gefühlen steuern zu lassen und nicht umgekehrt.

Ein neutrales Gesicht ist keine emotionslose Maske. Es ist die Basis, von der aus echte Emotionen entstehen können.

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