Hilfe, tiefe Töne nach hohen Passagen
Du singst eine ganze Weile in hoher Lage, oft mit viel Energie und Lautstärke und wenn es dann so weit ist, endlich wieder tiefer zu singen, versagt die Stimme, obwohl die Stellen normalerweise immer problemlos liefen?
Bei meiner A-Cappella Band ANDERS singe ich meistens in ziemlich hoher Lage und auch meine Solo-Stellen sind tendenziell eher hoch und laut.
Allerdings singen wir manchmal ganz am Schluss eine Zugabe, immer ohne Verstärkung. Und weil unser Bassist ganz am Ende noch ein Solo singt, muss ich dann die Bassstimme übernehmen.
Normalerweise bekomme ich die Töne problemlos. Ganz so tief ist es dann doch nicht. Aber nachdem wir gut 90 Minuten durchgepowert haben, hatte ich lange Zeit echt Probleme, die tiefen Töne zuverlässig zu singen.
Du kennst es vielleicht auch, nachdem du laute und hohe Passagen geübt hast. Die Stimme fühlt sich irgendwie eng und unangenehm an und du hast Schwierigkeiten, Töne zu singen, die du normalerweise zuverlässig singen konntest.
Heute zeige ich dir 3 mögliche Lösungen für dieses verbreitete Problem.
1. Position des Kehlkopfes
Das ist vielleicht nichts Neues für dich, aber je höher wir singen, desto höher liegt auch der Kehlkopf.
Der Grund dafür ist der, dass mit der Anspannung und Verlängerung der Stimmlippen auch die Muskeln aktiviert werden, die den Kehlkopf in seiner Position verändern. Das Heben und Senken des Kehlkopfes, abhängig von der gesungenen Tonhöhe, ist also ein natürlicher Reflex, der uns dabei hilft, die Spannung der Stimmlippen zu erhöhen und so das Schwingen in höheren Frequenzen zu ermöglichen [1].
Singen wir lange in hohen Lagen, gewöhnen wir uns ein Stück weit an diese erhöhte Kehlkopflage und vergessen manchmal, diese wieder anzupassen, wenn wir zurück in tiefere Lagen gehen. Besonders bei Sprüngen von sehr hohen zurück in tiefe Lagen kann dieses Problem häufig auftreten.
Die Lösung
Gerade im klassischen Gesang arbeitet man daher sehr viel daran, die Kehlkopfposition sicher kontrollieren zu können. Ein gesenkter Kehlkopf kommt auch dem klanglichen Ideal klassischen Gesangs entgegen, da das dazu führt, dass der Klang dunkler klingt. Aber auch in populären Gesangs-Stilen ist es sehr hilfreich, ein sicheres Gefühl für die Lage des eigenen Kehlkopfes zu entwickeln.
Achte darauf, deinen Kehlkopf ausreichend zu senken, wenn du von hohen in tiefe Lagen springst. Die Senkung kannst du am besten spüren, wenn du gähnst. Versuche, dir dieses Gefühl zu merken, wenn du die Lage wechselst.
2. Laryngeal Tilt
Der „Laryngeal Tilt“ oder auch „Kehlkopfneigung“ ist ein Phänomen, das sich abspielt, wenn Sänger mit einer gewissen „Qualität“ in hohen bis sehr hohen Lagen singen.
Wenn wir beim Singen in höhere Register übergehen, neigt sich der Schildknorpel nach vorn, wodurch der Abstand zwischen dem Schildknorpel und dem Ringknorpel verändert wird. Diese Bewegung führt dazu, dass sich die Stimmlippen nicht nur verlängern und verdünnen, sondern auch eine erhöhte Spannung erhalten, was bei der Produktion höherer Frequenzen hilfreich ist. Diese Anpassung unterstützt eine effizientere Schwingung der Stimmlippen, wodurch klare, fokussierte hohe Töne ohne übermäßige Anstrengung oder Druck produziert werden können. Das faszinierende dabei ist, dass sich die Stimmlippen verlängern, ohne dass sich ihre Frequenz erhöht. [2][3]
In der CVT wird der Laryngeal Tilt aktiv vollzogen, sobald wir die Dichte verringern („Reduced Density“). Der Modus Curbing ist hier das beste Beispiel. Aber auch Overdrive, Edge und Neutral lassen sich mit geneigtem Kehlkopf bzw. reduzierter Dichte singen. Im Estille Voice Training spricht man vom sogenannten „Sobbing“.
Die Lösung
Die Neigung des Kehlkopfes hilft uns, einen sicheren Klang in der Höhe zu produzieren. Allerdings können wir mit geneigtem Kehlkopf nur sehr schwierig tiefe Töne singen. Hier brauchen wir eben entspanntere, kürzere Stimmlippen als in der Höhe.
Achte also darauf, wenn du die Lage zurück in die Tiefe wechselst, dass du aus dem „Sobbing“ Gefühl herauskommst bzw. die Dichte wieder erhöhst. Eine Hilfe hierfür kann z. B. sein, mit mehr Luft zu singen und/oder zu lächeln.
3. Stütz-Energie anpassen
Es ist vollkommen einleuchtend, dass wir, wenn wir hoch singen müssen, unsere Stütz-Energie erhöhen müssen. Schließlich fühlt und hört sich hohes Singen auch anstrengend an. Was wir oft vergessen ist, dass wir die tiefen Lagen genauso viel unterstützen müssen wie die hohen.
Um das zu verdeutlichen, können wir uns folgenden Graphen ansehen:
(Bitte beachte, dass dieser Graph auf keinen wissenschaftlichen Werten basiert, sondern lediglich eine Tendenz abbildet. Nachzulesen im Buch Complete Vocal Technique von Cathrine Sadolin)
Hier sieht man deutlich, dass wir vor allem in unserer mittleren Lage kaum Energie benötigen. Für alles andere gilt:
- Je höher, desto mehr Aufwand
- Je tiefer, desto mehr aufwand
- Je lauter, desto mehr Aufwand
- Je länger die Phrase, desto mehr Aufwand
Die Lösung
Achte beim Singen darauf, dass du beim Sprung in die Tiefe nicht deine Stütz-Energie vernachlässigst. Experimentiere damit, ob es vielleicht hilft, mehr zu unterstützen, auch wenn es sich vielleicht auf den ersten Blick kontraintuitiv anfühlt. Beachte zusätzlich, dass die Lautstärke in der Tiefe deutlich abnimmt. Reduziere hier also auch aktiv die Lautstärke, damit du die tiefen Töne sicher kriegst.
Fazit
Mit diesen drei Lösungsansätzen solltest du es schaffen, das genannte Problem zu beheben. Natürlich ist es auch möglich, dass die Lösung aus einer Kombination aller drei Punkte besteht. Probiere am besten aus, was für dich am besten funktioniert.
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